Kunstverein und Museumsverein Beckum besuchen Weltkunstschau in Kassel
Die größte Kunstschau der Welt ist ins Gerede gekommen, die Kulturmedien in Deutschland tönen einig wie selten: die documenta fifteen in Kassel habe sich selbst disqualifiziert, Antisemitismus dominiere einige Werke. Der Bundespräsident hielt zur Eröffnung eine halbherzige Philippika, der Kanzler verweigert sein Kommen. Das wollte eine unverdrossene Schar von Kunstliebhabern aus Ahlen und Beckum nicht unbeachtet lassen, und so machte sich am Samstagmorgen ein Bus aus dem Kreis Warendorf auf den Weg nach Hessen. Die Passagiere, Mitglieder des Museumsverein Beckum und des Ahlener Kunstvereins, hatten im Sinn, sich selbst ein Bild zu machen von der anscheinend so unmöglichen Kunstschau, die derzeit in 15. Auflage die Aufmerksamkeit nicht nur der Kulturwelt erregt, und die in diesem Jahr gescholten wird, wie nie zuvor seit der Gründung im Jahre 1955.
Das vor 20 Jahren geschaffene und vor wenigen Tagen von dem indonesischen Künstlerkollektiv Taring Padi aufgehängte Banner „People‘s Justice“ mit antisemitischen Karrikaturen wurde inzwischen entfernt.
Wichtig, nahezu unabdingbar, das erfuhr die Gruppe aus dem Kreis Warendorf vor Ort, war eine sachkundige Führung, die zunächst durch die Documenta-Halle neben dem Fridericianum führte. Dr. Ellen Markgraf übernahm die Erklärungen für einen Teil der Gruppe, und die Kunsthistorikerin verstand es blendend, den Besuchern das Konzept der Ausstellung nahezubringen. Erstmals hat man in Kassel den Versuch gestartet, dem „globalen Süden“ dieser Erde eine künstlerische Stimme auf der Weltkunstschau zu geben. Grundtenor: der Blick der Künstler aus den weniger begüterten Ländern müsse zwangsläufig ein anderer sein, als der aus der Sicht reicher Industrienationen. Thematisiert wird die Abhängigkeit voneinander ebenso, wie die Ausbeutung durch vermeintliche Wohltaten. Wellblech als Ausdruck der Armut dominiert die Halle, Besucher wähnen sich in den Slums von Nairobi. Ein riesiger Textilberg vor der Orangerie flankiert von Plastikquadern zeigt gleich zwei schwerwiegende Probleme auf: Die Lieferung abgetragener Kleidung aus Europa nach Afrika zerstörte die dortige Textilindustrie, und der Export von Wohlstandsmüll aus Kunststoff ist Ursache der Verschmutzung von Umwelt und Ozeanen. Wie ein roter Faden ziehen sich die Folgen des Kolonialismus durch die 32 Standorte, die von den unterschiedlichen Kollektiven noch bis zum 25. September bespielt werden. Der Reichtum eines Küchengartens unter mit bloßen Händen geflochtenen Schirmen aus Bambus verdeutlicht die unterschiedlichen Sichtweisen und holt die Besucher des globalen Nordens auf den Boden der Tatsachen. Eine nachdenklich stimmende Schau, die aufrüttelt und mahnt. In Zeiten von Klimawandel, Krieg und Globalisierung ist das wichtiger denn je. Auf eigene Faust erkundeten die Beckumer und Ahlener nach der Führung die weitläufige Ausstellung, Pausen in luftigen Biergärten inklusive, bevor der Bus die Kunstfreunde am Abend wieder in den Kreis Warendorf zurückbrachte.